Phantomschmerz:
<m.> scheinbarer Schmerz in einem amputierten Glied

"Ich lese viel doch verstehe nichts."

...er hatte Highlander schon vierzehnjährig als einen Film aus Gottes Zelluloidbüchse empfunden. Die zweimalige Bedeutungsrenaissance die er nicht erwartet hatte, hielt ihn nicht davon ab, an Connor festzuhalten, Brenda zu verwerfen und allen Blossoms dieser Welt ein Denkmal, aber keine Kerze zu setzen...

"Der Gedanke eines Recycling meines Schwachsinns zum Liebesroman läßt mich nicht los", lallte Connor. Jedem Menschen seinen Künstlernamen, wer nennt sich freiwillig schon alter ego ?

"Du hast schon recht. Es ist die masochistische Naivität, in Selbsttötung zum Orgasmus kommend."

"Zwei Bier, los, erzähl."

Duncan liegt im Bett. Staub- er dringt in seinen Mund, in seine Nase, in seine Augen ein. Schwarz, schwarzes, dunkles- nicht sein Gefühl, sondern seine Umgebung. Eine riesige Spinne seilt sich langsam von der Decke ab. Woher sie kommt? Keine Ahnung. Das braucht er auch nicht zu wissen. Nicht interessieren. Es ist keine Realitätsüberhöhung- es ist Realität. Diese gigantische Spinne. Mit menschlichem Kopf. Haare, überall. Erschreckt ihn diese Spinne? Nein. Sie schwebt langsam von der Decke hernieder.

Eine Sekunde.

Zwei Sekunden.

Drei Sekunden.

Vier Sekunden.

An jedem Bein hat die Spinne eine Hand. Menschenhand. Sie reicht ihm ein achtel Menschenhand und er schüttelt sie wie die eines alten Freundes. Duncan hört es. "He, ich kenne dich, ich möchte ein Kind von dir."

Verblüfft antwortet er: "Selbstredend, aber wenn ich mit dir korpuliere, mußt du mir versprechen, daß du mich nach dem Akt auffrißt!"

Eigentlich sollte ihm diese Bedingung Kopfschmerzen bereiten, doch fühlt er sich so gut und ausgeglichen wie lange nicht mehr. In Erwartung des letzten Ficks, dringt er hart in die ihm immer sympathischer werdende Spinne ein. Ficken für den Tod. Spinnenleib- in dir wird mein Kind wachsen, nur schade, daß ich so wenig davon haben werde. Nach dem Akt - es beginnt das, was Duncan vorher ausmachte. Die Mutter seines Kindes schaut ihn an und flüstert, kannibalo-wollüstigkeit sey' s Panier:

"Jetzt werde ich dich fressen."

Vorfreude. Ein Biß, ein Schlingen, er ist drin. Seine beiden Beine sind kurz über den Knien abgebissen. Der Verlust der Beine tut ein wenig weh, ist aber das sinnliche Gefühl des Gefressenwerdens, wert. Er ist müde. Er ist geil.

"Warum habe ich bloß meine Zigaretten vergessen! Sie schmecken immer so gut danach."

Irgendwie läßt ihn das lustig sprudelnde Blut, dieser hohe geile Blutverlust, müde werden.

"Naja. Erstmal ein kleines Nickerchen."

Ein schrilles Klingeln weckt Duncan. Ein gelbes Telephon steht hier. Ist er im Verdauungstrakt einer Spinne.

"Bin ich hier?"

Nein, denn er spürt die Schmerzen in seinen Beinen. Oder was davon übrig blieb. Auf den Stümpfen windet er sich zum Telephon und nimmt den Hörer ab. Duncan fragt, wer da sei. Eine junge Frau , mit einer wundervollen Sprechstimme, will ihn auf ein Bier einladen und grüßt ihn von Salvador Dali. Er muß leider absagen..

" Scheiße- dieser Fick ist mir durch die Lappen gegangen".

Als Absagegrund führt er an, er habe im Moment Probleme mit seinen Beinen. Das Gefühl, mal richtig ehrlich gewesen zu sein. Müdigkeit. Stunden vergehen?

"Wann werd' ich denn endlich mal zersetzt?"

Warten ...

Er sieht den Totenschädel des Führers; er geht ihm auf die Nerven, denn er hat so etwas unruhiges an sich. Dieser hat in seinem Leben sicherlich nie eine Dose Bier für 49 Pfennig getrunken. Er mag solche Leute nicht. Duncan soll ihm ein gutes Bordell empfehlen. Er teilt ihm mit, daß er sich in diesen Räumlichkeiten nicht auskenne- Schädel akzeptiert. Das Verhalten des davonschwebenden Totenkopfes ist befremdlich, denn Duncan fragt sich, was ein Totenkopf ohne Unterleib in einem Etablissement sucht. Egal. Seine herbe, ungezügelte Fröhlichkeit verfliegt plötzlich. Warum weiß er nicht. Er wollte doch nicht die Lazarus-Nummer machen. doch er war, leider unverdaut und bis auf den erotischen Verlust seiner Füße, Unterschenkel und Knie, draußen und gesund. Morbide Melancholie überfällt Duncan. Er robbte sich, nicht ohne das unzuverlässige Insekt zu schimpfen und verurteilen - dieses verschwand nach der Vorwurfstirade - auf allen Vieren zum Balkon. Mit seinen Restbeinen reichte er gerade noch über die Brüstung des Balkons. Seine Hände schwitzen, er ist umgeben von Strömen seines eigenen Schweißes. Deswegen dauert es einige Sekunden, bevor es ihm gelingt die auf der Elbe deponierte Zigarette anzuzünden. Scheinbar hatte Duncans Körper den Blutverlust besser verkraftet, als er hoffte.

"Ich hab' halt immer Pech."

Ein erhebendes Gefühl, als es anfing zu regnen, Dunkelheit und Regen. Er, das Nachlassen der Schmerzen aufgrund der abgetrennten Beine bedauernd, das Gespenst Promiskuität erwartend, den Phantomschmerz Deutschland spürend, drückt sich die Zigarette sorgfältig in seinem linken Auge aus. Er hangelt sich über die Brüstung, blickt in den Abgrund (eine heftige Erektion ist die Folge) und läßt sich fallen...

"Zwei Bier auf die Totenwählerinnen."

"Ein rüder Beginn, nicht Connor?", bemerkte Dugal.

"Sie waren zwei miese kleine Schufte. Und doch honigleckende Götter!"

Der weite Blick über Äcker und Weideland wird an den ruhigen Nebenarmen des Rheins von Pappelreihen und Kopfweiden unterbrochen, die bei tiefstehendem Sonnenlicht oder bei Nebel eine typische verträumte Stimmung verbreiten. Jedoch:

Freitags sind die Kneipen voll. Sie auch. Dann trinken sie auf die Tage die kommen werden. Die "DDR" öffnete heute die Mauer zu Insel-Berlin. Immerhin besser als ‘nem alten Kahn hinterhergefahren. Ein Mädel kam am Tisch vorbei und bot Fellatio an, doch Connor schickte sie weg, sie war zu dick. Er liebte diese Kneipe mit ihren bunten rheinischen Fenstern. Sie trug ein blindmacherblaues Kleid. Vielleicht auch yveskleinblau.

"Harry, hol’ schon mal den Wagen."

"Du meinst es war Mord, Stefan?", klang es aus dem Ratenfernseher. Er würde den PC vergewaltigen, wissend, daß er das Lebensgefühl der Endachtziger nicht festhalten kann obwohl sie es so gerne wollen. Doch er wird es nochmals auswälzen, weil ihm die amorphen Mittneunziger auf den Sack gehen.

"Noch mal zwei, hier, do! Und einmal Fritten mit Zwiebelringen und Mayo." Warum trinken Menschen manchmal Pflanzenöl? Ein weiterer fällt. Er begann mit den Aufzeichnungen am 16. Geburtstag Blossoms. So hießen sie alle und so schuf Connor die Grundlage, obwohl er’s noch nicht konnte. "Diese Geschichte ist eine Liebesgeschichte", hackte er in den Computer, sein Zoll an die Mittneunziger. "Ollivetti ade- einmal muß es vorbei sein, all die Stunden der Liebe", summend. Er war im Begriff, einen Roman im Roman zu schreiben. Damit wurde er genauso ein asoziales Subjekt wie Walter Jens.

"Dann werde ich also bald mit wirren Haaren und zitternden Händen in schlechten Talk-Shows auftreten und meine Rentenbiographie aussülzen.?"

Dies steht zu befürchten. Connor saß mit nacktem Oberkörper vorm Monitor und spielte an einem Furunkel in der Nähe des Bauchnabels. Dann öffnete er dieses durch sein herumdrücken und Blut und Eiter spritzte auf den Bildschirm und die Maus. Das fand er unangenehm und beschloß in der Oberstadt einen Kaffee trinken zu gehen.

 

Sore lips....