Connor wollte nicht wieder, nicht länger, ein Fernsprechfeigling sein. Er beschloß sie anzurufen, es war Nachmittag. Abends wählte er zum ersten Male ihre Rufnummer, legte sofort wieder auf, wußte das ein paar Kilometer keine Distanz zur Blamage sind und haßte sich dafür. Er wählte wieder die Nummer. Dachte an das Gespräch mit Blossom im Chaos, das ihn so fasziniert hatte und es kam wieder die Angst. Ich will keine Beziehung. Was wird die Doofe denn dazu sagen? Ihm gingen die Dinge durch den Kopf die einem durch den Kopf gehen, wenn man zu Beginn einer Liaison darauf wartet und hofft, daß der Hörer abgenommen wird bevor das Hirn flux vorher einen Aufleggrund liefert. Nach vielen Versuchen und nochmehr Auflegen wurde am anderen Ende abgenommen, eine nach Kegelclub und Reval ohne Filter klingende Stimme, vermutlich ihr Vater.

"Guten Abend, entschuldigen sie die späte Störung, hier ist Connor. Kann ich ma’ Blossom sprechen."

"Einen Augenblick, ich hol’ sie."

Der Hügel war so gut wie gestürmt und Charlie ausgeschaltet. Blossom kam ans Telephon. Sie war ein wenig verwundert, daß er anrief, konnte nicht wissen, daß er auf dem kleinen Dienstweg fast für ihre Nummer gemordet hatte. Er frug sie, was sie davon hielte sich morgen mit ihm zu treffen, falls sie - nicht wenn - nichts besseres vorhabe. Auf einen Kaffee (Cappucino clischeéo / café clisé). Blossom erwiderte, sie habe nichts dagegen, er konnte seinen inneren Reichsparteitag kaum verheimlichen doch gelang es ihm, ablenkend von dem Teilerfolg noch kurz über Belanglosigkeiten zu sprechen und auch sie wußte wie in diesem Spiel telephoniert wurde. Er wünschte noch die fernmündliche Gute Nacht, sie auch und verpaßte nicht noch die erwarteten Worte, "Ja - dann bis Morgen, ich freue mich", loszuwerden.

Er war froh, er hatte den Hügel geschafft und nichts von seiner Trennung von Haargummi erzählt und schämte sich seiner Gefühle. Zuerst hatte er es vor, doch wollte er nicht mit der Tür ins Haus fallen und es hätte sich auch die Situation ergeben können, daß Blossom sich unter Druck gesetzt fühlte. Doch sie hätte auch genau anders denken können, "vielleicht hat er ja wegen mir Schluß gemacht". Da war aber schon die nächste Gefahr verankert - oder noch schlimmer, der Schmerz, daß dies ihm widerfahren könnte. Auch wenn ihr die Nummer geschmeichelt hätte - es wäre Gift gewesen. Er kannte genug Frauen, denen dies schmeicheln würde, die er haben konnte, die ihn aber auch nach Enttarnung wieder fallen lassen werden. Er war der Meinung, sie könnte sich unter Druck gesetzt fühlen, Schluß, Aus, Basta. Und sie wußte nicht, daß er nicht mehr mit dem verschwimmenden Namen liiert war. Was war also ihre Absicht ihn zu treffen wenn nicht die seine?! Er hoffte mehr als nur kurzzeitiges Interesse.

Beim Treffen mit Blossom konnte man vorurteilsfrei Schallplatten hören. Und doch: Aus dem Osten kam immer nur Ärger, Wodka und Angst. Eine halbe Stunde bevor Blossom kommen wollte, betrachtete er sich im Badezimmerspiegel, fand er sah alt aus und beschloß sich zu rasieren.

"Oh man, bin ich müde."

Er hatte soviele Bücher schreiben wollen und sei es auch nur ein mittelitalienischer Dreck wie Der gefolterte Poet und die Fragwürdigkeit von Beziehungen. Er wußte um künstlerische Unzulänglichkeiten, die als Kunst verkauft werden, da brauchte er nicht nach Klagenfurt zu schauen. Kunst iSD Art. 5 GG ist die "freie schöpferische Gestaltung, in der Eindrücke, Erfahrungen, Erlebnisse des Künstlers durch das Medium einer bestimmten Formsprache zur unmittelbaren Anschauung gebracht werden", "für das Vorliegen von Kunst spricht der Umstand, daß sein Urheber ein Werk als Kunstwerk betrachtet. Weiter dürfte bedeutsam sein, ob ein in Kunstfragen kompetenter Dritter es für vertretbar hält, das in Frage stehende Gebilde als Kunstwerk anzusehen. Für ein Kunstwerk spricht zudem, wenn es bei formaler, typologischer Betrachtung die Gattungsformen eines bestimmten Werktyps erfüllt (etwa malen, dichten etc.) oder sich das Werk im Wege einer fortgesetzten Interpretation immer neuen Deutungen erschließt.

Unerheblich ist, welches ‘Niveau’ ein Kunstwerk hat." Lange Zeit war es nicht nur Dünnsinn was Karlsruhe zu bieten hatte und doch reduzierte er Baden auf Wein, der ihn Magenkrank machte. Es hätte eine Abrechnung werden sollen und er toskanischer Teufel. Selbst eine virile Lapalie wie’s Rasieren wurde angesichts des Besuchs zur Tortur, nicht nur das man sich dabei ins Gesicht schauen mußte.

"Gott, wenn Du wirklich da bist, ich kann Dich nicht sehen. Da muß etwas schrecklich falsch an mir sein. Los komm’ runter wenn Du da sein solltest. Zeig’ mir den Weg. Du hast schließlich den fragwürdigen Anspruch, daß Du dich um uns kümmerst. Dann komme."

Es war die Zeit der Daseinskompetenz und Stereotypen auf Vinyl. Als er das Rasieren beendet hatte, nahm er noch ein After Shave, es brannte glut. Es war die Pflegeserie: Ohne Sorge. Er legte es immer dann auf, wenn er die gute alte Zeit erinnern oder die Zukunft vorwegnehmen wollte. Ferner glaubte er an Loyalität, Sauberkeit und Krawattenknoten. Wie lebt man mit zwei verschiedenen Identitäten? Das Stiller-Pogrom, es ließ kein Grau zu, nicht einmal das Charisma Rudolf Scharpings. Er hatte lange nicht mehr an etwas geglaubt, und dachte, Blossom suche ebenfalls jemanden für eine ernsthafte Beziehung. Drei Napalms für Charlie.

Er erfragte nicht, was morgen beginne. Naja, studier’ mal Verfahrenstechnik. So würde er den Niederrhein mit all seinen Mythen verlassen. Der Schwanenritter entließ ihn in’s Exil. Helden waren sie schon jetzt, doch ließ sie niemand zu Märtyrern werden. Und alles ging ihm durch den Kopf, seine 50 Prozent Anteil an der neuen Paarung der Subkulturszene oder Kulturtribalismus versus Liebe, Jovialmann und der Tod des Bruders, der Versuch zu fummeln ohne Erektion und die Trauer über nicht-GV-Analogie gemischt mit Erinnerungen an Claire, die Übernachtung bei Blossom, Venus Le Bettina und das Nachdenken über europäische Zigaretten zuzüglich Imagination seines Selbstmordes: